BPT vs. LQFB
Eine kleine Auswertung
Ich habe mir noch einmal die abgestimmten Anträge des Bundesparteitages 2012.2 in Bochum angesehen. Wir hatten uns dort ja mehrheitlich für die Tagesordnung 6 entschieden, die versucht hat, das Umfrageergebnis auf Limesurvey, die beliebtesten Anträge im LiquidFeedback und die Antragsgruppen zu berücksichtigen. Ich denke, dass diese Tagesordnung für einen fairen Mix an Anträgen gesorgt hat, und jeder behandelte Antrag hat es auf mindestens eine Weise geschafft, im Vorfeld Unterstützer zu finden.
Ich habe mich nun gefragt, inwieweit ein vorheriges Meinungsbild auf LiquidFeedback Einfluss auf die Annahme-Chancen auf dem Bundesparteitag hatte.
Die Rohdaten
Wir haben in Bochum insgesamt über 32 Anträge abgestimmt. Dabei habe ich nur Programm- und Satzungsanträge gezählt (also nicht den Antrag über Swanhilds Schatzmeisteramt in Hamburg). Ebenso habe ich zurückgezogene Anträge nicht mitgezählt. Ich habe einen Antrag als angenommen gezählt, wenn er vollständig oder in Modulen in die Satzung, das Wahl- oder das Grundsatzprogramm aufgenommen wurde. Demnach haben wir 22 Anträge angenommen und 10 Anträge abgelehnt.1
Im Antragsbuch war für jeden Antrag – sofern vorhanden – ein Link auf die jeweilige Initiative im LiquidFeedback angegeben. Ich habe im folgenden nur die Initiativen gezählt, bei denen der Antragstext im Wortlaut abgestimmt wurde.2 Als Themengewinner habe ich jene Initiativen gezählt, die die für Programm und Satzung notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht haben und einen besseren Schulze-Rang als eventuell andere Initiativen im Thema hatten.
Auswertung
Generell hatte ein Antrag, zu dem letztlich aufgerufen wurde eine Annahme-Chance von 68,75 %. Bei jenen Anträgen, die zuvor im LiquidFeedback abgestimmt wurden, verbesserte sich diese Quote auf 81,82 % und ist damit fast doppelt so hoch wie die Annahme-Chance bei jenen Anträgen, zu denen kein LiquidFeedback-Meinungsbild eingeholt wurde (40,00 %).
Ob eine Initiative letztlich im jeweiligen Thema gewonnen hat oder nicht spielt interessanterweise keine Rolle. Im Gegenteil: jene 3 Anträgen, deren LiquidFeedback-Initiative letztlich abgelehnt wurde, wurden alle angenommen. Von den 19 LiquidFeedback-Gewinnern lediglich 78,95 % angenommen – diese Quote ist jedoch noch immer fast doppelt so hoch wie bei den Anträgen ohne LiquidFeedback.
Fazit
Ich bin mir im Klaren, dass es alleine durch die Auswahl der Tagesordnung schon eine gewisse Tendenz dazu gab, Anträge mit einem vorherigen LiquidFeedback-Meinungsbild zu bevorzugen. Ebenso vermag eine Grundgesamtheit von 32 Anträgen wenig geeignet sein, um generelle Aussagen über den Zusammenhang zwischen BPT-Anträgen und LiquidFeedback herzustellen.
Ich lasse mich dennoch zu folgenden Thesen hinreißen:
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Ein vorheriges Meinungsbild im LiquidFeedback sorgt für qualitativ bessere Anträge. Bei der wiederkehrenden Kritik, dass sich „nur“ 100–500 Piraten an Abstimmungen (direkt wie indirekt) beteiligen, wird oft außer Acht gelassen, dass es für Anregungen keinerlei Quorum gibt. Jeder Pirat kann einen Senf dazu geben, und diese Anregungen können direkt gewichtet werden. LiquidFeedback macht es so möglich, dass jenseits der Filter-Bubble der jeweiligen AGs oder Antragsstellern frühzeitig auch andere Meinungen gehört werden.
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Ein vorheriges Meinungsbild im LiquidFeedback sorgt für mehr Konsens. Gerade bei der Diskussion über die Grundsatzanträge zur Wirtschafts- und zur Außenpolitik wurde deutlich, dass scheinbar konkurrierende Anträge tatsächlich in eine gemeinsame Richtung gehen und sich nur in Nuancen unterscheiden, die den jeweiligen Antragsstellern gar nicht so wichtig sind. Es mag Wunschdenken sein, dass jene Anträge alle zuvor konkurrierend im LiquidFeedback abgestimmt werden3, aber es besteht zumindest ein Mittel, mit dem vor einem Bundesparteitag systematisch per Präferenzwahl herausgefunden wird, welche Variante am ehesten Zustimmung findet und die spontanen während der Diskussion auftauchenden Koalitionen vorweggenommen werden.
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Ein vorheriges Meinungsbild im LiquidFeedback kann langwierige Modul-Exzesse vermeiden. Mit der in LiquidFeedback umgesetzten Präferenzwahl ist es extrem leicht möglich, Dutzende von Modulen – seien sie konkurrierend oder nicht – gegeneinander zu gewichten und so schnell Anträge mit vielen Varianten auf ein von einem Bundesparteitag verdaubares Maß zu bringen. Eine Mitgliederversammlung ist nicht der richtige Ort, um einzelne Sätze abzustimmen. Vielmehr scheint die stärker werdende Nutzung von Modulen ein willkommenes Mittel zu sein, um § 12 der Bundessatzung insofern zu umgehen, dass die Antragstexte zwar schon vier Wochen vor dem Parteitag bekannt sind, jedoch vor Ort beliebig zusammengestellt werden.
Dies kann natürlich als Werbung für die Ständige Mitgliederversammlung verstanden werden, aber ich möchte hier nicht die bekannten Gründe wiederholen. Mir geht es hier weniger um die Effizienz und die größere Barrierefreiheit, sondern darum, systematisch Anträge über einen langen Zeitraum und für alle Mitglieder transparent vorzubereiten. Und darum, dass sich dies auch heute schon auszahlt.
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Der Inklusionsantrag PA048 wurde letztlich mit einem geänderten Text Positionspapier angenommen. Ich zähle ihn daher als abgelehnt. ↩
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Bei Antrag PA074 war das LiquidFeedback-Meinungsbild noch nicht abgeschlossen. Ich habe es daher nicht mitgezählt. Bei Antrag PA298 wurden einzelne Aspekte in mehreren LiquidFeedback-Meinungsbildern erfolgreich abgestimmt, nicht aber der vollständige Antragstext. Auch diesen Antrag habe ich nicht mitgezählt. ↩
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Tatsächlich wurden die Wirtschaftsanträge PA002 und PA091 gegeneinander im LiquidFeedback angestimmt. Dabei siegte der in Bochum abgelehnte Antrag PA002 über den späteren Bochum-Sieger PA091. ↩